Andrew Gilbert
The Rise and Fall of Emperor Andrew's Instant Coffee Plantation
9.2 – 31.5.2020
© Andrew Gilbert & Kunstverein Friedrichshafen, Fotos: Florin Fleig
In Andrew Gilberts (*1980, Schottland) detailreichen Zeichnungen und skulpturalen Installationen treffen Vergangenheit und Gegenwart aufeinander. Ausgehend von einem nicht zu stillenden Interesse an der kolonialen Expansion der europäischen Nationalstaaten – und insbesondere des Britischen Empires – im 18. und 19. Jahrhundert, befassen sich die Werke des Künstlers mit dem Streben der westlichen Welt nach immer mehr Macht und Wohlstand und der damit einhergehenden Unterdrückung und Ausbeutung anderer Länder, ganzer Kontinente und deren Bevölkerungen.
Indem Gilbert historische Ereignisse und Personen mit aktuellen gesellschafts-politischen Themen und Zeitgenossen kombiniert und konfrontiert, zeigt sich, wie vielschichtig, tiefgreifend und komplex die Auswirkungen der vergangenen kolonialen Zeit auf unsere post-kolonialen Gegenwart sind. Somit prallen in seinen Werken historische Schlachten auf unsere heutige kapitalistische Konsumwelt. Afrikanische Masken und Kultobjekte der, von den Kolonialherren als primitiv erachteten Völker Afrikas, auf Hipster aus Berlin Friedrichshain. Referenzen an die expressionistischen Werke von Emil Nolde und Ernst Ludwig Kirchner werden mit einer exotisch anmutenden zeitgenössischen Werbeästhetik kombiniert und eine Kunstmesse verwandelt sich in eine Kriegsszenerie. Andrew Gilbert thematisiert sowohl den Brexit als auch den Einmarsch der amerikanischen und britischen Truppen in den Irak. Immer wieder zeigt er so auf unterschiedliche Weise auf, wie die weltpolitischen Ereignisse der letzten Jahrzehnte Folge der durch den Kolonialismus etablierten geo-politischen und gesellschaftlichen Strukturen sowie der wirtschaftlichen Interessen der Industrienationen sind. In seinen Zeichnungen und Installationen zeigt sich Geschichte als eine Abfolge von Ereignissen, in denen die westliche Welt ihre Fehler wiederholt, anstatt aus ihnen zu lernen und schlussendlich von ihrer eigenen Vergangenheit eingeholt wird. Sarkasmus, Parodie und schwarzer Humor werden zu bitter-bösem Ernst.
Als Andrew the Emperor und mit Hilfe anderer alter Egos tritt der Künstler auch immer wieder selbst in seinen Bildwelten auf. Neben realen Ereignissen und Personen sind Phantasie und Fiktion zentrale Aspekte seiner künstlerischen Praxis. Das Bildpersonal, welches seine Zeichnungen bevölkert, lässt sich wie eine ganz eigene Ikonographie lesen, in der jedem Charakter und jedem Objekt eine bestimmte Rolle zukommt bzw. es stellvertretend für etwas steht. So etabliert Gilbert auch immer wieder seine eigenen Firmen wie zum Beispiel die Pineapple JuiceTM oder die Leek Phone CompanyTM, die jeweils für Waren des Kolonialismus bzw. des Kapitalismus stehen. Denn Ananas und ähnliche „exotische“ Produkte wurden eben erst durch das Zeitalter des Kolonialismus zu beliebten Konsummitteln der Europäer, während die Leek Phone CompanyTM wohl eine klare Parodie auf das Iphone oder das Smartphone im Allgemeinen ist, dem Produkt, das unser Dasein im 21. Jahrhundert wohl mit am gravierendsten beeinflusst.
Für seine Ausstellung „The Rise and Fall of Emperor Andrew’s Instant Coffee Plantation” im Kunstverein Friedrichshafen hat Andrew Gilbert seine fiktive Instant Coffee CompanyTM zum Anlass genommen, um den Ausstellungsraum in eine koloniale Villa samt Kaffeeplantagen und Kabinett der Kuriositäten zu verwandeln und in seiner gewohnten Arbeitsweise zahlreiche Verbindungen zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart zu schaffen.
Text / Kuratorin: Hannah Eckstein
Für die großzügige Unterstützung danken wir/ For the generous support we thank: