Flaka Haliti

maybe I ate it

Ausgehend von subjektiven Erfahrungen wirft Flaka Haliti einen Blick auf unsere fragmentierte widersprüchliche Gegenwart. Im Zentrum ihrer Praxis steht das Individuum und die Frage, wie sich Identität in einer globalen fluiden Welt konstruiert. Ihre poetischen und hybriden, mit Ironie durchzogenen Werke, zehren von der Komik des Tragischen und erzählen von einem Leben zwischen unterschiedlichen Kulturen, von Ausgrenzung, Anpassung und dem anders Sein.

Um ihre künstlerischen Konzepte in eine visuelle Form zu bringen, nutzt sie Fotografie, Collage, Gebrauchsobjekte sowie grafische oder skulpturale Elemente. Ihre Arbeiten haben oftmals einen dezidiert räumlichen Bezug, münden in raumgreifenden Installationen und lassen die Rezipient*innen in eine andere Welt eintauchen, um ihnen neue Perspektiven zu eröffnen.

Einer ‚Ethik der Nähe‘ folgend spinnt sie in der Ausstellung maybe i ate it anhand der drei invasivsten Tierarten des Bodensees Bezüge zu unserer zwiespältigen Jetztzeit und gesellschafts-politischen Realitäten wie Migration und Rassismus. Hybride Arbeiten zwischen Bild und Skulptur stellen die Silhouetten der Schwarzmundgrundel, der Quagga-Muschel sowie des Großen Höckerflohkrebs’ dar. Diese drei Arten ‚immigrierten‘ vermutlich mit Hilfe von Frachtschiffen aus dem Schwarzmeerraum in den Bodensee. Sie sind also, wie die Arbeit Things keep falling to earth suggeriert, Phänomene, die sich, den Gesetzen der Natur gehorchend, ereignen und nicht mehr umzukehren sind.

Im Anbetracht der Paradoxien, die durch die Versuche entstehen, unsere Umweltproblematiken zu lösen, rekontextualisiert Flaka Haliti das Ökosystem des Bodensees und assoziiert dessen natürliche Gesetze mit dem menschlichen Zusammenleben. Ihr Vorgehen ist von der Auffassung getragen, dass ein Gefühl für einen bestimmten Ort Anlass geben kann, stellvertretend sowohl über konservative als auch über progressive Politik in den größeren Zusammenhängen von Staatlichkeit und Überstaatlichkeit nachzudenken.

In materieller und metaphorischer Hinsicht schafft Flaka Haliti durch ihre erratische ästhetische Wahl Momente der Disidentifikation. Losgelöst von vorgefertigten Denkmustern und -strukturen besteht sie darauf, dass Diversität als Beziehungsgeflecht und nicht als absolute Macht verstanden werden sollte, die den Anspruch auf Rechte und Repräsentation erst legitimiert.

Drei raumhohe Wandarbeiten mit Schriftzügen wie BLACK LIVES MATTER und Supremacy besitzen die Anmutung von überdimensionalen, mehrfach überklebten Plakatwänden und sind Versatzstücken unserer Lebensrealität. Immer wieder werden die Betrachter*innen durch Aussagen und Fragen wie I’m imitating you, but you are changing all the time oder Whose Utopia we Shall Return to? direkt konfrontiert und in einen existentiellen Dialog verwickelt, der die Widersprüchlichkeit, die Sackgassen und vielleicht sogar Auswege unserer menschlichen Existenz offenlegt.

Flaka Haliti (geboren 1982 in Pristina, Kosovo) hat Grafikdesign an der Kunstfakultät der Universität Pristina und Kunst an der Städelschule in Frankfurt studiert. 2019 war sie für den Preis der Nationalgalerie, Hamburger Bahnhof, nominiert, sie war Stipendiatin an der Villa Romana in Florenz und ist Gewinnerin des Ars Viva Preises 2015. Zudem vertrat sie 2015 die Republik Kosovo auf der 56. Venedig Biennale. Ihre Werke wurden in Einzel- und Gruppenausstellungen u.a. im Museum Moderner Kunst in Wien, in der MIZA Gallery in Tirana, in der Kunsthalle Hamburg, im Ludwig Museum in Budapest, im Salzburger Kunstverein und in der Kunsthalle Wien präsentiert.


Text/Kuratorin: Hannah Eckstein