PELES DUO
mess and memory
Für den Kunstverein Friedrichshafen wird sich das Künstlerinnenduo PELES DUO mit dem Ort ihres Schaffens beschäftigen – dem Atelier. Ein Ausgangspunkt für PELES DUO in ihrer Praxis ist außerdem im Jahr 2025 – auch das Jahr in dem sie auf 20 Jahre ihrer Karriere zurückblicken – der Prozess. Beide Themenkomplexe werden in der Ausstellung mess and memory bearbeitet, speziell für den Ort angefertigt und erweitert.
„mess and memory“ – der Titel der Ausstellung von Peles Duo im Kunstverein Friedrichshafen eröffnet ein Spannungsfeld zwischen Unordnung und Markierung, zwischen Ephemerem und Eingeschriebenem. „Mess“ steht für das Prozesshafte, das sich dem Zugriff entzieht – das Atelier, der Abdruck, das noch nicht Entschiedene. „Memory“ dagegen verweist auf Wiederholung und Archivierung. Gemeinsam formulieren die beiden Begriffe eine Dialektik, die die künstlerische Praxis von Peles Duo präzise umreißt: Ihre Arbeiten sind nie rein Dokumentation oder Dekonstruktion, sondern beides zugleich und immer die Verbindung aus unterschiedlichsten künstlerischen Ansätzen. In der Ausstellung begegnet man Werkgruppen, die nicht das Vollendete suchen, sondern das Dazwischen – das Unfertige und die Spur. Als methodischer Ausgangspunkt fungiert hier das Prinzip der Reproduktion: Kopieren nicht als bloße Wiederholung sondern als schöpferische Handlung, die das Verhältnis von Original und Abbild, von Geschichte und Gegenwart destabilisiert. Die Ausstellung „mess and memory“ formt sich nicht als abgeschlossener Akt, sondern als ein palimpsestartiges Terrain – temporär, sich überlagernd, in Bewegung.
Deshalb präsentiert Peles Duo im Kunstverein eine ortsspezifische, vielschichtige Installation, die sich wie ein lebendiges Archiv ihres Werks durch die gesamten Ausstellungsräume zieht. Die Arbeiten bewegen sich zwischen Malerei, Fotografie, Skulptur und Architektur, zwischen Reproduktion und Original, zwischen dem Sichtbaren und dem Fragmentarischen. Den Ausgangspunkt der Ausstellung bildet eine großformatige hängende Papierarbeit im Eingangsbereich. Eine Art visuelle Schwelle, die das Publikum empfängt, in die Ausstellung hineinführt und gleichzeitig eine sofortige Einsicht verhindert. Zugleich lässt sich der Vorhang als wiederkehrender Gedanke in der künstlerischen Praxis des Duos lesen: Als Strategie der Inszenierung, als Ort der Verhüllung und Offenbarung. Das zentrale Motiv, entnommen der Arbeit forms of love (Berlin, 2024), evoziert ein Bild des Sakralen und ist zugleich ein Fragment aus einer anderen Zeit und einem anderen Raum. Die Tapete fungiert nicht nur als Oberfläche, sondern als Membran, durch die Bild und Raum miteinander in den Dialog treten – die Raumtapete wird zur Methode einer ortsspezifischen Reinszenierung, in der eigene Arbeiten als Echo oder Zitat erneut in Erscheinung treten.
Die Spannung zwischen Sichtbarkeit und Verdeckung, zwischen Intimität und öffentlicher Inszenierung, zieht sich durch die gesamte Ausstellung. Auch die Teppiche im Hauptraum – wandhängend, ornamental, textil – tragen Spuren einer anderen Zeit und eines anderen Ortes in sich. Ihre fotografischen Vorlagen entstanden während eines Grubenbrandverfahrens im Rahmen der Arbeit the long sleep of amber (E-Werk Luckenwalde, 2021), in der industrielle Materialgeschichte mit mythologischen Bezügen verwoben wurde.
Der Boden des ersten Obergeschosses sowie die Treppen sind mit Bildtapeten belegt – Fotografie wird hier in eine neue, abstrahierte Räumlichkeit überführt. Die Rasterung erinnert nicht nur an archäologische Grabungen, sondern stellt auch Fragen nach der Dokumentation und Rekonstruktion von Vergangenheit. Wo beginnt Geschichte und wie wird sie durch Bilder neu verhandelt? Im Obergeschoss begegnen die Besucher*innen einer unfertigen Arbeit, deren Ausgangspunkt die Recherche für TIBISCVM (Art Encounters, Timișoara, 2019) bildet. Eine archäologische Tonfigur, entdeckt auf einem Baugelände in Rumänien, verweist auf antike Liebesrituale, in denen Feuer als bindendes wie zerstörerisches Element eine zentrale Rolle spielt. Dieses Werk führt exemplarisch vor, wie Peles Duo Narrative miteinander verwebt: Von der römischen Poesie bis zur osmanischen Geschichte Timișoaras – alles kann Material werden, wird abstrahiert, geschichtet und überführt in eine neue Lesbarkeit. Inmitten der Ausstellung findet sich auch das Medium der Malerei und wird zugleich eine Rückkehr, sowie ein Aufbruch: zurück zum Ursprung der künstlerischen Praxis, vorwärts in ein intimes, fast mikroskopisches Arbeiten an Oberfläche und Bedeutung. Malerei-Schichten aus Pigment, Jesmonite, UV-Druck und Farbe transformieren Skulpturales in Flächigkeit, formen Geste in Linie, abstrahieren Bild zu Struktur.
Im Kunstverein zeigt sich das mannigfaltige Werk von Peles Duo als ein sich ständig neu überschreibendes Gefüge, das sich nicht linear, sondern rhizomatisch erschließen lässt. Fotografien, Keramiken, UV-Drucke, Jesmonite-Reliefs, Tapeten, textile Oberflächen und digital erzeugte Formen stehen nicht für sich sondern treten in ein temporäres Miteinander, das den Raum als Bühne für Erinnerung, Wiederholung und Wandel begreift. Im Zentrum dieser Ausstellung steht nicht die Präsentation abgeschlossener Objekte, sondern ein sichtbarer Denkprozess, ein work in progress, der Fragen stellt: Wann beginnt ein Werk? Wann endet es? Was bleibt, wenn etwas transformiert, überarbeitet, kopiert oder archiviert wurde?
PELES DUO (früher Peles Empire) ist eine Zusammenarbeit der Künstlerinnen Katharina Stöver (1982 in Gießen, Deutschland) und Barbara Wolff (1980 in Făgăraș, Rumänien). Strategien der optischen Verflachung und Täuschung, die Transformation von 3D zu 2D und zurück zu 3D und nicht zuletzt die Frage, ob und wann ein Werk überhaupt als abgeschlossen verstanden werden kann – das sind einige der Motive, mit denen sich PELES DUO auseinandersetzt. Genauer gesagt werden ihre hybriden Objekte und Installationen aus Fotodrucken und gipsbasiertem Jesmonit zu kollektiv produzierten Zwischenräumen.
2017 war PELES DUO bei der Ausstellung Skulptur Projekte, Münster vertreten. Im selben Jahr waren sie auch in der Ausstellung Produktion. Made in Germany Drei im Sprengel Museum, der Kestner Gesellschaft und dem Kunstverein Hannover. Im Jahr 2021 erhielt das PELES DUO das Stipendium der Peter Jacobi Stiftung für Kunst und Design. Ausgewählte Einzel- und Gruppenausstellungen der letzten Jahre sind: intimacy with mortals (2022), Galerie Wentrup, Berlin (DE); you are fire, dressed in fire (2022), Kunstverein Pforzheim (DE); the other amber (2021), Galerie Johann Widauer, Innsbruck (AT); the long sleep of amber (2021), E-Werk Luckenwalde (DE); foam born (2021).
Kuratorin: Marlene A. Schenk